Anna und Kai

Eine Kopfnuss auf dem Trampolin

Eine Kopfnuss auf dem Trampolin

Anna (27 Jahre) und Kai (29 Jahre) sind seit gut neun Jahren zusammen. Im Partnerinterview sprechen sie über ihre Beziehung, in der die Hämophilie (fast) keine Rolle spielt. 

Anna, Kai, zum Start eine Klassiker-Frage: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Anna: Bevor wir vor 9 Jahren ein Paar wurden, kannten wir uns bereits oberflächlich durch gemeinsame Freunde. Richtig kennengelernt und Zeit miteinander verbracht haben wir dann zum ersten Mal beim Summerjam-Festival. Da haben wir dann auch gleich gemerkt, dass wir den gleichen Musikgeschmack haben. Das war schon mal ein guter Start.


Wie ging es danach weiter? 
Kai: Unser erstes echtes Date hatten wir einige Tage nach dem Festival. Wir haben uns damals in der Stadt getroffen. Anna kam mit Krücken. Sie hatte damals eine Gelenkblutung im Knöchel.
Anna: In der Anfangszeit unserer Beziehung war ich wirklich ständig auf Krücken unterwegs. Das hat sich erst nach meiner Therapieumstellung geändert – seitdem bin ich quasi „krückenfrei“.  


Wenn du beim ersten Date mit Krücken unterwegs warst, dann war deine Hämophilie direkt Thema, oder?
Anna: Ja, ich habe Kai natürlich erklärt, warum ich auf Krücken laufe und was ich habe.


Und du Kai, wie hast du reagiert?
Kai: Anna hat das sehr verständlich erklärt und daher war ihre Hämophilie für mich kein bisschen abschreckend. Dass sie zu Beginn unserer Beziehung häufiger Verletzungen hatte, war natürlich nicht schön, vor allem für Anna. Für mich stellte das aber kein Problem dar. Hinzu kommt, dass meine Mutter Annas Krankheit besonders spannend fand. 


Das müsst ihr uns erklären?
Anna: Kais Mutter ist Biologielehrerin und Hämophilie kommt als Thema häufig im Abi vor. Sie konnte mit meiner Krankheit also gleich etwas anfangen und hat sich daher auch sofort gewundert, dass ich als Frau Hämophilie habe. Für sie war das natürlich sehr interessant. 


Wie sehr beeinflusst die Hämophilie heute noch euren Alltag?
Kai: Eigentlich fast gar nicht. Anna geht es gut und Krücken braucht sie schon ewig nicht mehr. Wenn überhaupt, mache ich mir manchmal Gedanken beim Thema Sport. Wir machen beide gerne Sport … und übertreiben es beide auch gern mal ein wenig. 
Anna: Ein wenig ist stark untertrieben, zumindest bei Kai. Er klettert gern hoch hinaus, im Zweifel auch auf Brücken. Das kann ich mir echt nicht gut angucken.


Das klingt fast so, als müsste Anna sich eher Gedanken um dich machen, Kai?
Kai: Ja, manchmal ist das wahrscheinlich so. Aber ich versuche auch bei ihr darauf zu achten, dass es nicht zu wild wird. Vielleicht bremse ich sie ab und an auch mal aus. Aber halt auch nicht immer. Wir waren neulich z. B. Trampolinspringen und sind dabei übel mit den Köpfen aneinander gerauscht. 


Autsch, das klingt schmerzhaft – für beide…
Anna: Ja, aber es ist nichts passiert. Ich habe mich dann vorsichtshalber noch einmal gespritzt und alles war gut.
Kai: Ein schlechtes Gewissen hatte ich trotzdem. Manchmal kommt eben doch der Gedanke hoch, dass bloß nix passieren darf, auch wenn ich weiß, dass das eigentlich Quatsch ist.

Anna und Kai in einem Feld stehend

Apropos: Klappt das denn mit dem regelmäßigen Spritzen?
Kai: Spritzen ist oft das einzige, das uns im Alltag an die Hämophilie erinnert. Und ich muss Anna regelmäßig daran erinnern – sowohl an ihre Injektionen als auch an ihr Protokoll.


Also ist Kai eine Art menschliche Erinnerungs-App, Anna?
Anna: Ja, das kann man so sagen. Und seine Hartnäckigkeit kann dabei auch etwas nervig sein – insbesondere in puncto Protokoll. Das schiebe ich nämlich gern einmal vor mir her …. aber was sein muss, muss schließlich sein. 


Erinnert dich Kai nur ans Spritzen oder legt er auch manchmal selbst Hand an? 
Anna: Er hat zwar gelernt, mir Spritzen zu setzen, aber ich mache das am liebsten allein. Auch von einem Arzt lasse ich mich nicht so gern spritzen. Ich hab einfach das Gefühl, dass ich das selbst am besten kann. 


Hast du Anna denn trotzdem schon mal gespritzt, Kai?
Kai: Ja, ich habe mir das vor unserem USA-Roadtrip von einer Krankenschwester in der Hämophilie-Ambulanz erklären lassen. Und einmal musste ich während des Urlaubs auch ran. Vorher habe ich natürlich geübt. Ich wollte das eigentlich bei mir selbst üben, aber das hat Anna nicht zugelassen. 
Anna: Stimmt, denn bei mir tut die Injektion gar nicht mehr weh – auch wegen des Narbengewebes. Ich wollte nicht, dass Kai an sich selbst testet, weil es bei ihm sicher etwas schmerzen würde. Und er soll ja nicht denken, dass er mit wehtut, wenn er mich spritzt.
Kai: Es hat sich trotzdem komisch angefühlt. Gerade am Anfang hatte ich immer Angst, etwas falsch zu machen. Mittlerweile hat sich das gelegt, auch wenn ich eher selten spritze, da Anna das ja lieber selbst macht. 


Ihr habt schon gesagt, dass die Hämophilie euch quasi nicht beeinträchtigt. Gilt das auch für euer Liebesleben?
Kai: Ja – beim Sex spielt die Hämophilie wirklich gar keine Rolle. Oder Anna?
Anna: Sehe ich genauso. Das wäre vermutlich nur ein Thema, wenn man auf sehr abgedrehten Fetisch-Kram steht. 


Ihr seid jetzt neun Jahre zusammen. Hab ihr euch schon über die Familienplanung Gedanken gemacht?
Anna: Ja, es gibt bei uns das hypothetische „Projekt Kinder bekommen“. Hypothetisches Projekt, weil wir erst einmal herausfinden wollen, ob es Sinn macht in die Familienplanung einzusteigen. Bei uns ist doch etwas mehr Vorbereitung erforderlich. Bald steht ein Termin beim Humangenetiker an, der uns einmal in Ruhe alles zum Thema Vererbung der Hämophilie erklären wird. Den Kontakt haben wir von meinem Hämophilie-Zentrum. 
Kai: Zu Beginn haben wir uns auch gefragt, ob Anna überhaupt Kinder bekommen kann. Sie hat schließlich eine schwere Hämophilie und eine Geburt ist für den Körper ja ein echter Kraftakt in vielerlei Hinsicht.


Aber die Ärzte haben grünes Licht gegeben?
Anna: Ja, die waren sogar total entspannt. Das hat uns überrascht. Mit der richtigen Vorbereitung und einigen zusätzlichen Injektionen sei eine Geburt für mich kein Problem. Als wir das gehört haben, waren wir natürlich schon sehr erleichtert. Mal schauen, wie es nun weitergeht.


Anna, Kai, vielen Dank für das spannende Gespräch!